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Wir servierten einmal Sorbet mit Sauerampfer, das hat unsere Gäste total begeistert. Das schmeckt wie früher, haben sie gesagt, als ich als Kind auf der Nachbarwiese rumgerannt bin. Essen ist emotional, nahe am Herzen. Wir verbinden mit Essen sofort Erinnerungen und persönliche Geschichten.

Bereits im Studium habe ich gerne Events veranstaltet, mit guter Musik und Essen. Dadurch habe ich Sue kennengelernt. Zusammen haben wir das Catering-Startup Tastelab gegründet. Am Anfang standen physikalische Kochprozesse und die Freude am Experimentieren im Vordergrund. Als wir am Weltwirtschaftsforum 2020 für die ETH ein Catering zum Thema Sustainability organisieren sollten, haben wir gründlich und wissenschaftlich analysiert: Was macht Essen nachhaltig und was nicht?

Wenn man tierische Produkte weglässt, hat man schon einen grossen Teil der Probleme gelöst. Deshalb ist unsere Küche seither pflanzenbasiert. Das führt auch zu lustigen Erlebnissen, wie dass man dem grössten australischen Beef-Farmer veganes Essen serviert.

Uns ist es wichtig, dass wir mehr servieren als nur gutes Essen. Unsere Gäste sollen etwas erleben, sich an etwas erinnern können. Und sie sollen etwas über die Produkte lernen, die sie konsumieren; wo sie herkommen und wie sie hergestellt werden. Wir mögen es kreativ: Einmal haben wir unser Dessert in Spritzflaschen auf einer Malplatte serviert. Wer Lust hatte, konnte ein eigenes Dessert designen.

Sue und ich sind beide Quereinsteigerïnnen, sie Physikerin und ich Informatiker. Wir haben zu Beginn sehr lustige Fehler gemacht. Zum Beispiel haben wir für unser erstes grosses Projekt mit 120 Dinner à sieben Gängen niemanden für den Abwasch angestellt. Aber ja, man lernt daraus. Bei mir war der Schritt in die Gastronomie nicht wirklich geplant. Am Anfang habe ich 50 Prozent für das Tastelab gearbeitet und sonst weiterhin in der Informatik, so hatte ich die finanzielle Sicherheit für den Einstieg.

Nach gut einem Jahr habe ich gemerkt, dass das mit dem Tastelab funktionieren könnte, und meine Festanstellung  aufgegeben. Der Anreiz war die Begeisterung, Geld verdienen wir jetzt weniger. Den Umgang mit den Gäst:innen, die Events oder wenn die Leute sagen: Hey, das ist echt grossartig, was ihr hier macht. Das ist einfach ein tolles Feedback, sowas kannten wir in unseren vorherigen Berufen nicht. Ich habe mit dem Branchenwechsel viel Freiheit gewonnen und kann selbst bestimmen, wann und wie lange ich verreise oder ob ich unter der Woche in die Berge fahren will.  

Wir entscheiden selbst, mit wem wir zusammenarbeiten wollen. Wir haben auch schon einen gut zahlenden Kunden abgelehnt, weil er Rindfilet wollte. Dafür gewinnen wir ganz viele andere, die uns gezielt wegen unserer Philosophie anfragen.

Wir probieren auch oft komplett neue Dinge aus, veganes Randenbündnerfleisch zum Beispiel. Das ist das Schöne, glaube ich, wir haben die Möglichkeit, durch pflanzenbasiertes Essen an alte Traditionen anzuknüpfen. Die vielen Erinnerungen, die wir mit Steaks und Bündnerfleisch verbinden, müssen wir nicht aufgeben. Wir können unsere Kindheitserinnerungen weiterentwickeln. Wir sagen nicht, Bündnerfleisch servieren wir nicht mehr. Sondern: wir servieren es nach wie vor, aber schaut, so kann man es noch cooler machen. Verbote und Schuldgefühle funktionieren nicht. Wir wollen eine neue Essenskultur schaffen. 

Hier findet ihr mehr über das Tastelab und die Story von Mitgründerin Sue.

Diese Story wurde im Rahmen der Serie Stories für Züri gesammelt.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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