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Letztens fragte mich ein alter Kollege aus dem Gymi: Fühlst du dich wie Noah, der vor dem Klimawandel gewarnt hat, und dann ist es auch eingetroffen? Nein. Ganz ehrlich, mich kackt’s ja auch an, dass wir jetzt einen schneelosen Winter hatten. Ich bin vierunddreissig und bekomme graue Haare, aber wer hat denn Kapazität, sich um den Scheiss zu kümmern, wenn nicht Menschen wie ich?

Unmotorisierter Verkehr und Ernährungssouveränität sind mein Ding. Weg vom Weit-Pendeln, hin zu lebenswerten Quartieren. Es ist das Geilste, wenn du alles zu Fuss oder mit dem Velo erreichen kannst. Ins City-Hallenbad in die Sauna, in den Schrebergarten in Höngg, ins Flussbad an die Limmat, das Essen aus der Region, 15-Minuten-Stadt. Ich bin weiss, männlich, Akademiker, privilegiert. Ist mein Lebensstil auch für alle anderen Menschen möglich? Das beschäftigt mich.

Ich bin Generalisten-Aktivist. Auf dem Baumhaus stoppe ich die Abriss-Bagger, ich wehre ich mich gegen das System. Als Unternehmer im Restaurant Elmira machen wir abgefahrenes, nachhaltiges Fine Dining, weil vegan scheisst an, wenns nicht richtig sick ist. An der Critical Mass und mit den Velomenschen feiern wir die Rückeroberung des öffentlichen Raumes. Im Vorstand von umverkehR geben wir beim Verkehrslobbyismus Gas. Und als urbaner Aussteiger hänge ich einfach mit meinen Freunden im Schrebergarten und schaue biertrinkend dem Stau auf der Hardbrücke zu.

Die Frage ist nicht, welcher Aktivismus richtig ist oder besser. Ich kann in verschiedene Rollen schlüpfen und einen Dialog zwischen den Welten führen. Manchmal nehme ich auch meine bürgerlichen Friends aus der Schusslinie. Wenn ihr schon viel verdient, könnt ihr ja mit eurem Kapital gute Organisationen unterstützen. Man kann eh nur 20% des eigenen Fussabdrucks selbst beeinflussen, 80% ist System. Wusstest du, dass der günstigste Quadratmeter in Zürich auf einem Blaue-Zone-Parkplatz liegt? Echt jetzt, der günstigste Lagerraum ist ein Auto mit Anhänger.

Im Herbst kandidiere ich für den Nationalrat, auf der Liste der grünen Unternehmer*innen. Mein Listenplatz weckt keine Bern-Ambitionen, aber ich dachte, wenn ich eh schon die ganze Zeit Velodemos organisiere und seit langem nachhaltig-unternehmerisch aktiv bin, befinde ich mich ja eh im ständigen Wahlkampf. An den Demos habe ich mit Freunden ein Musikvelo mit DJ namens Konsumkamine. Wir nehmen uns die Strasse, aber nicht mit Flaschenwerfen, sondern mit Freude, Licht und geiler Musik. Wenn du feierst, kannst du dir subversiv Raum nehmen. Gegen feiernde Menschen hat niemand was. Für ein Fest Strassen zu blockieren ist kein Thema.

Abgefahrenes Essen gibt’s im Elmira, bei umverkehR Gas geben kann man hier. Und hier könnt ihr Luki und seiner Konsumkamine folgen.

Diese story wurde im Rahmen der Serie Stories für Züri gesammelt.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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