Heute hören sie zu, was ich als Aktivist:in erzähle, und dafür zahlen sie auch noch Eintritt. Was für ein Glück.
Ich bin sehr politisiert aufgewachsen. Als Kind kam ich unter die Räder, weil ich in vielem anders war, meine queere Identität war offenbar schon damals spürbar. Für seine Werte muss man kämpfen, das prägte sich mir damals ein. Gleichzeitig hatte ich meine Fantasie, bin in Rollenspiele und Musik geflüchtet. Es war ein Kampf zwischen den beiden Welten: Kreativität und Sinnlichkeit oder das Politische? Aktivismus oder Weltflucht? Zuerst studierte ich klassischen Gesang, aber das war zu weit weg von dem, was mich wirklich beschäftigt. Ich wechselte zu Theater und Performance, wo ich eigene Stücke machen konnte, wurde vom Interpreten zum Künstler.
Ein paar Jahre lang habe ich Stücke zu den Themen Sexualität und Sexarbeit gemacht. Vom Gender bin ich zu den Tierrechten gerutscht. Bei beidem gibt es diese Doppelmoral. Manche machen furchtbare Sachen und werden als Helden verehrt, andere verteufelt, weil sie jemandem einen Orgasmus verschaffen. Gewalt gegenüber Hühnern oder Schweinen ist Kultur, gegenüber Hunden, Katzen oder gar Menschen jedoch Straftat und Skandal. Ich liebe die Kunst, aber sie genügt für solche Themen nicht. Es braucht eine weitere Dimension. Ich muss verändern, nicht nur in der Theorie bleiben und das Gute erträumen. Vor allem musste ich aufhören, Angst zu haben, dass mich die Leute als Künstler zu didaktisch oder aktivistisch finden. Nein, ich will das jetzt so, und wenn es euch nicht passt, müsst ihr ja nicht kommen.
Ich hatte dann diesen Aha-Moment: Was nützt es, wenn wir unsere Sexualität frei ausleben können, aber den Planeten kaputt machen? Für mich basiert alles auf der Trennung von Mensch und Natur. Meine Kunstfigur Soya the Cow ist eine Mischung aus Dragqueen und Konzeptkunst, ein hybrides Wesen, nicht Mann noch Frau, weder Mensch noch Tier, total real, aber auch Fantasiewesen. Mit ihr kann ich mich kreativ ausleben, kann provozieren, emotional sein und als Aktivist:in erfolgreich auftreten. Das macht wahnsinnig Spass, genügt mir aber immer noch nicht. Mit dem, was ich mache, rette ich leider kein einziges Tier. Jetzt will ich die Verpflegung an Festivals verändern. Dafür habe ich mit zwei Kolleginnen ein Projekt gegründet, wir wollen pflanzenbasiert zum neuen Normal machen.
Ich empfinde es als grosses Glück, dass ich als Künstler:in und Aktivist:in arbeiten kann, Lohn dafür bekomme, mit lieben Leuten zusammenarbeiten, etwas bewirken kann. Mein Fernziel: die Schweiz als Schweizer Kuh am Eurovision Song Contest zu vertreten.
Mehr über Soya the Cow findest du hier.
Diese Geschichte wurde als Teil der Serie stories für züri gesammelt.