Neue Geschichten jeden Dienstag und Freitag.

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Mit Anfang Zwanzig habe ich meinem Gottenkind zur Geburt ein Buch zur Friedensbewegung geschenkt und einen Brief dazu gelegt: Wenn ich einmal erlahmen sollte, angepasst werde, solle sie mich bitte erinnern, woran ich einmal geglaubt habe, und mich wachrütteln.

Als Jugendlicher hatte ich mit meinen Eltern Konflikte, weil mir schon damals die Umwelt wichtig war. Mein Vater hatte es gerne recht warm und ich hatte während der Energiekrise mitbekommen, dass man Energie sparen muss. Immer wieder habe ich die Heizung tiefer gestellt und als eines Sonntags niemand zuhause war, habe ich hinter alle Heizkörper Alufolie geklebt, damit die Wärme in den Raum strahlt. In der Kirche habe ich auf den Deckel bekommen, weil ich wollte, dass die Kirche politisch wird und zur Überfremdungsinitiative Stellung bezieht. Während dem Studium habe ich mich intensiv fürs Velo und die Verkehrspolitik eingesetzt und als das Waldsterben kam, habe ich für autofreie Sonntage gekämpft, aber mit wenig Erfolg. Ich dachte dann, eigentlich bräuchte es eine Ökodiktatur, um die Umweltkrisen rasch zu lösen.

Heute bin ich pragmatischer. Ich habe den Verein Klimastadt Zürich mitgegründet. Der Name ist Programm: Zürich soll im Klimaschutz vorbildlich werden. Die Voraussetzungen sind ideal, genug Geld, tolle Bildungsinstitutionen und eine fortschrittlich gesinnte junge, urbane Bevölkerung. Wenige Monate nach unserem Start ging die Klimajugend auf die Strasse, das hat uns unglaublich begeistert. Wir sind mit zwei Forderungen der Bewegung zu den Parteien gegangen: einen Klimanotstand auszurufen und bis 2030 klimaneutral zu werden. Daraus ist eine Motion entstanden, im politischen Prozess wurde der Inhalt dann leider abgeschwächt. Aber im letzten Jahr haben wir die Abstimmung Zürich netto Null 2040 gewonnen, das ist doch schon etwas.

Jetzt haben wir hier im Klimapavillon die Bibliothek zur glücklichen Zukunft aufgegleist. Die Wissenschaft sagt, dass wir die Menschen mit positiven Bildern eher zum Handeln motivieren, das probieren wir hier aus. Alle können herkommen und einen Beitrag dazu platzieren, wo Zürich in zwanzig Jahren stehen soll. Bis dann ist ja netto Null erreicht, hoffentlich. Die Frage ist: Wie haben wir die Wende geschafft? Die Leute können uns Geschichten, Ideen, Wünsche, Tagebuchseiten, Songs, Filmchen, Gedichte, Gebasteltes, etc. bringen. Daneben gibt es Veranstaltungen, aus denen entstehen auch Beiträge für unsere Bibliothek. Es gab zum Beispiel diese Zukunftsworkshops mit Jugendlichen, die Ergebnisse wurden mit PolitikerInnen geteilt. Alle waren begeistert und die Teilnehmenden haben am Schluss drei Fragen beantwortet und ihre Antworten hier im Pavillon deponiert. Jeder Beitrag steht in einem Glas hier auf dem Gestell.

Was mir daran gefällt? Unsere Bibliothek löst bei den BesucherInnen etwas aus, sie fühlen sich inspiriert, schauen die Beiträge an, schreiben selber etwas oder blättern nur in den Büchern. Und wir schaffen es, Menschen und Organisationen, die mit uns arbeiten und die sonst wenig Kontakt hätten, zu vernetzen.

Ich glaube fest daran, dass ich mithelfen kann, die Welt ein wenig in eine bessere Richtung zu lenken. Das ist das Wichtigste für mich, das ist mein Glück. Wachrütteln musste mich bis heute niemand.

Schaut doch mal im Klimapavillion vorbei!

Diese Story wurde im Rahmen der Serie Stories für Züri gesammelt.

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Stories for Future lässt Menschen Geschichten erzählen. Über ein gutes Leben, eine gesunde Welt, über neue Perspektiven und alles, was sie schön finden, was ihnen wichtig ist und ihnen guttut.

Die meisten Geschichten entwickeln sich in einem Gespräch und wir schreiben sie auf. Manche Geschichten werden uns zugeschickt, auf Einladung oder spontan. Bislang haben wir die Geschichten nicht systematisch gesucht – sie ergeben sich durch spontane Kontakte, Empfehlungen und Zufälle.

Die Geschichten widerspiegeln nicht immer unsere Meinung; und die Geschichtenerzählerïnnen sind wohl auch nicht immer einer Meinung.

Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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