Neue Geschichten jeden Dienstag und Freitag.

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Gelernt habe ich Pflegefachfrau, heute leite ich eine Spitex-Organisation. Ich arbeite sehr gerne dort und bin überzeugt von der Idee, Kranke zuhause zu pflegen. Als ich anfing bei der Spitex habe ich viele Jahre vor Ort gearbeitet und dabei viel Berührendes und Schönes erlebt. Es ist anders als im Spital, dort kannst du ins Zimmer kommen, deine Aufgaben am Bett der Kranken erledigen und wieder gehen. Bei uns ist es so: du klingelst an der Türe, betrittst eine Wohnung und bist Gast. Wir sehen, wie jemand sich eingerichtet hat, wir wissen viel über die Person, man kommt sich bei der Arbeit ganz wörtlich richtig nahe. Manche Klientïnnen betreuen wir sehr intensiv, kommen mehrmals am Tag und für mehrere Stunden. Da braucht es eine echte Beziehung, damit es der kranken Person wohl ist. Sie soll auch etwas von mir wissen dürfen, es darf nicht eine einseitigen Abhängigkeit bleiben. Bei der Spitex musst du offen sein und bereit, etwas von dir preiszugeben.

Da gab es zum Beispiel eine Frau mit einer komplexen Krankheit, die wir zweimal pro Tag besuchten. Sie hatte ihren persönlichen Rhythmus, sie zu pflegen ging so schnell, wie es eben ging. Du kannst in solchen Situationen nicht einfach dein Programm abspulen, die Klientin gibt den Takt vor und du musst ihn aufnehmen. Da entsteht Raum für Gespräche. Von dieser Frau habe ich gelernt, wie man sich richtig auf Ferien freut. Sie fragte mich, was meine Pläne seien, wohin ich dieses Jahr reisen wolle. Dann haben wir wochenlang im Voraus darüber gesprochen, beziehungsweise sie hat referiert. Sie ist früher selber viel gereist und hat Schönes und weniger Schönes erlebt. Was isst man dort? Wo ist es am schönsten? Was sollte man sicher nicht verpassen? Schliesslich ging ich in die Ferien und nach der Rückkehr kam eine längere Phase, wo ich berichtete und wir die Reise zusammen nochmals durchlebten. Meine Ferien wurden mit ihr massiv verlängert. Sie lehrte mich, mich länger und intensiver mit etwas zu beschäftigen und mehr Freude an einer Sache zu haben.

Ich bin seit Jahren nicht mehr direkt bei den Menschen vor Ort, aber dass ich nach wie vor so begeistert und motiviert zur Arbeit gehe, wurzelt immer noch in den Erinnerungen an solche Begegnungen.

Diese Geschichte wurde uns and der Ausstellung “Sharity” in Rapperswil erzählt. Einen Tag lang teilten wir dort spontan gute Geschichten mit allen möglichen Menschen. Freut euch auf mehr!

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Die meisten Geschichten entwickeln sich in einem Gespräch und wir schreiben sie auf. Manche Geschichten werden uns zugeschickt, auf Einladung oder spontan. Bislang haben wir die Geschichten nicht systematisch gesucht – sie ergeben sich durch spontane Kontakte, Empfehlungen und Zufälle.

Die Geschichten widerspiegeln nicht immer unsere Meinung; und die Geschichtenerzählerïnnen sind wohl auch nicht immer einer Meinung.

Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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