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Ich bin hier am Kürbis und Zucchetti putzen. Die sind so riesig, es kommt mir vor, als würde ich meine Babys baden! Am Auenhof sind für mich unter anderem die Tiere ein Highlight. Ich bin eigentlich ein Landei, im Emmental aufgewachsen. Schon als Kind gibt es viele Fotos von mir mit Eseln, Kühen, Katzen, Ziegen und Hunden. Seit ich aber in der Stadt wohne, habe ich keinen grossen Kontakt mehr zu Tieren. Ausser in meinem Schrebergarten. Dort spielt sich jeweils das Theater der Schnecken ab. Soviel zu meinen städtischen Tierfreunden! Wobei, das Problem sind ja nicht die Schnecken, sondern, dass ich keine Enten habe, die die Schnecken fressen. Die Enten, die hier auf dem Hof rumlaufen sind so lustig und interessant zu beobachten. Ganz brav watscheln sie in der Einerreihe zu den besten Futterplätzen. Auch die Geissen sind superherzig, aber wehe sie büxen aus, dann ist ratz fatz nicht viel übrig vom Kräutergarten. Vor den Hühnern habe ich ein bisschen Schiss, sie sind mir leicht suspekt, sie picken manchmal aus dem Hinterhalt, aber legen die besten Eier. Mit den Tieren rundherum merke ich, die Erde ist rund und dreht ganz langsam. Einmal pro Woche arbeite ich hier als Freiwillige mit, das lasse ich mir nicht nehmen, egal was sonst alles läuft im Leben. 

Seit ich achtzehn bin arbeite ich im Gastgewerbe, habe elf Jahre ein Restaurant geleitet. Jetzt habe ich den Absprung geschafft, das war ein langer Prozess. Ich habe keinen Plan, ausser, dass ich nicht mehr ins Hamsterrad kommen möchte, in dem man auf keine Ideen mehr kommt, es keinen Platz mehr gibt, keine Stille, um überhaupt in Kontakt zu treten mit sich selber. Die Leitung des Restaurants war eine schöne Zeit, aber ich habe mich in eine andere Richtung entwickelt als die Philosophie des Betriebs. Als japanisches Restaurant mussten wir jedes hinterletzte Produkt importieren, das hat einfach nicht mehr mit meinem Weltbild zusammengepasst. Jetzt arbeite ich in einem Restaurant, wo die meisten Produkte saisonal, regional, regenerativ und fair kultiviert werden. Das macht für mich Sinn. Auf dem Hof habe ich Kurse zu Permakultur besucht und lerne jetzt hier weiter. Zudem lerne ich viele interessante Menschen kennen. Wenn du zwanzig bist lernst du ja neue Leute kennen ohne Ende und irgendwann nimmt das ab. Hier treffe ich jetzt wieder viele faszinierende Persönlichkeiten und höre so viele interessante Geschichten. Alle strahlen ihre eigene Inspiration aus. Gleichzeitig hat man einen gemeinsamen Nenner, den Hof hier, den Wunsch, möglichst frei zu sein, in Verbindung mit Permakultur etwas tun, das sich positiv auswirkt auf Boden, Tiere, das Gesamtbild. Dieser Ort zieht so viele verschiedene Menschen an, überhaupt nicht nur eine alternative Szene. Das macht mich schon leicht euphorisch, ich finde das genial.

Ich möchte nicht mein Leben lang im Gastgewerbe arbeiten, sondern herausfinden was ich sonst noch kann. Als mein Vater seinen siebzigsten Geburtstag feierte, gab es Musik mit Geige und Bratsche und die Musikerinnen meinten: mach doch auch mit, mit deiner Rahmentrommel! Das hat mich plötzlich in einen ganz anderen Rhythmus gebracht, es war wie ein Szenenwechsel voll aus dem linearen Alltag raus. In diesem Moment ein schwieriges Unterfangen. Ich habe einmal mehr gemerkt, diesen Teil habe ich auch in mir, das Musische, Kreative, Intuitive. Das kann ich doch nicht brachliegen lassen, ich habe gespürt, um diese Seite will ich mich noch mehr kümmern.

Eigentlich ist meine Vision, dass ich mit Freunden einen eigenen Ort schaffen kann, wo sich Menschen, die in einer Krise stecken gute Energie und Inspiration holen können. Ein Ambiente zu schaffen, wo Menschen glücklich sind und sich willkommen fühlen, selbst wenn es nur für kurze Zeit ist. Das ist doch etwas sehr Schönes und ich glaube, darin wäre ich noch gut. 

Diese Geschichte wurde uns von einer freiwilligen Helferin auf dem Permakultur Auenhof bei Feldbach erzählt. Mehr über diesem Ort erfährt ihr in dieser Geschichte.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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