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Schon länger hatte mir eine Freundin erzählt, dass sie als Freiwillige einen Tag pro Woche auf dem Auenhof mitarbeitet. Dort machen sie Permakultur, Landwirtschaft, in der Pflanzen, Tiere und Menschen in Kooperation zusammenleben. Was das genau heisst, wollte ich herausfinden. Und dann läutete einige Wochen später am Abend das Telefon: willst du morgen mitkommen und helfen? Ja klar!

Zusammen spazieren wir in Feldbach vom Bahnhof zum Bauernhof. Schon von weit her sah ich Ziegen auf einer Böschung. Für was braucht es die? Nicht für Milch, sondern für die Landschaftspflege, insbesondere die Brombeersträuche, die sie dank ihrer widerstandsfähigen Zungen essen können. Das ist ein wichtiges Prinzip der Permakultur, erklärte mir die Freundin. Die Tiere arbeiten eben wie die Menschen auf dem Hof mit. Die Freundin war ganz aufgeregt: seit dem letzten Mal haben die Ziegen ganze Arbeit geleistet. Näher auf dem Weg passieren wir eine Schar Enten, die sich frei bewegen. Sie sind die fähigsten Mitarbeiterinnen gegen Schnecken, ganz wichtig, dass sie sich auf dem Hof wohl fühlen.

Wir machen einen Rundgang und die Freundin zeigt mir die verschiedenen Projekte und erklärt die Prinzipien der Permakultur. Sie erzählt von Wasserlinien, Zonenplanung, Kreisläufen, speziellen Pflanzen- und Tierarten. Fast nichts scheint zufällig zu sein. Ich verstehe nur die Hälfte, auch, weil ich damit beschäftigt bin, mir alles anzusehen, denn fast alles sieht einfach wirklich schön aus. Wir passieren Baumsetzlinge, umgeben von Blumen und anderen Pflanzen. Das sieht nicht nur kunstvoll aus. Die Blumen und Pflanzen sind bewusst gewählt, dass sie den Nährstoffbedarf der Bäume ergänzen. Vor dem Haus laufen wir an einem Hühnerhaus auf Rädern vorbei. Eine seltene Hühnerart und das Haus wird immer dort hingestellt, wo der Boden gerade den grössten Düngerbedarf hat.

Zurück beim Haus fassen wir unsere Aufgabe für den Tag: ein Loch in den Boden zu buddeln, nahe der Böschung, wo die Ziegen den Boden freigefressen haben. Dort möchten sie mit Pilzanbau experimentieren. Die genaue Stelle ist mit einem Ast im Boden markiert, dort, wo die Bedingungen am besten sein sollten. Wie lange dauert es, ein ein-mal-ein-Meter-grosses Loch in den Boden zu schaufeln? Mehrere Stunden später und mit einigen Blasen an den Händen finde ich raus: länger als gedacht, und die Handschuhe hätte ich lieber bereits zu Beginn angezogen. Der Boden ist mit Steinen und Wurzeln durchzogen, auch mit Spaten und Spitzhacke kommen wir zu zweit nur langsam vorwärts. Zum Glück steht nebenbei ein Apfelbaum mit saftigen Äpfeln.

Zum Mittagessen kochen wir zusammen, natürlich mit Lebensmitteln vom Hof. Ich lerne die anderen Freiwilligen kennen und die Personen, die den Hof führen. Darunter ein Koch, eine Anwältin, eine Studentin, eine Beizerin. Sie alle erzählen mir am Nachmittag ihre Geschichte, weshalb sie hier sind. Es ist eine wunderschöne Vielfalt von verschiedenen Lebenshintergründen, aber allen gemeinsam der Wunsch, etwas für sich, für die anderen und die Umwelt zu tun.

Am späteren Nachmittag häckseln wir Äste, um das Loch, das wir am Morgen gegraben haben, mit den Holzspänen füllen zu können. So ist alles bereit für die Pilzkulturen. Bevor wir nach Hause gehen, darf ich mir von einem Tisch voller Gemüse etwas aussuchen. Naturallohn, das gehört zu dieser Art von Arbeit dazu.

In den kommenden Wochen könnt ihr hier die Geschichten lesen, die mir an diesem Tag auf dem Auenhof erzählt wurden.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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