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Auf den Parking-Day bin ich per Zufall gekommen. Die Stadt gehört uns! Gestalte eine Parklücke zu einem Park um! So steht es auf der Webseite, mit zwei Ausrufezeichen. Wer möchte, kann an diesem Tag einen Parkplatz in Zürich reservieren, gratis, für alles, was man möchte. Ausser für ein Auto natürlich. Das hörte sich nach einem Tag voller Geschichten an, anstatt Computer wieder mal etwas anderes, an der frischen Luft, in diesem schönen Wetter.

Ich habe mein Rollbrett geschnappt, kurz nachgeschaut, wo sich der nächste Parkplatz befindet und bin losgerollt. Manchmal mit dem Bus, oft aber auf dem Brettli, quer durch Zürich, dem Fluss oder einer Strasse entlang, durch Quartiere und über holprige Trottoire. Wo genau sich die Parkplätze befinden habe ich extra nicht nachgeschaut, nur ungefähr. Ich habe mir Zeit genommen von Parkplatz zu Parkplatz zu kommen. Gefunden habe ich die Leute mit ihren Plätzen aber jedes Mal.

Den ersten Parkplatz konnte ich nicht übersehen. Farbige Stühle, Blumen, ein Schild mit der Aufschrift “Mach mal Pause” und ein Mann am Bratwurst essen. Zuerst war ich etwas unsicher, habe hallo gesagt und gefragt, ob ich mich dazusetzen darf. Der Mann hat sich gefreut, wir haben geplaudert und zusammen meine Route für heute geplant. Er war nämlich der Organisator für alle Standorte, was für ein Glück. Sonst ist er Maler, aber kein gewöhnlicher. Anstatt Lieferwägelchen nimmt er das Velo. Ich hätte wohl den ganzen Tag bleiben können, aber ich hatte ja auch noch einiges vor mir. Mir war von Anfang an klar, dass meine Tour heute zu allen Parkplätzen führt.

Mich hat wundergenommen, wieso die Leute am Parkplatztag mitgemacht haben. Ich dachte zuerst vor allem an politische Statements, es war aber gar nicht unbedingt nur das. Es gab ein Geburtstagsfest eines Projekts, gratis Kaffee, um das eigene Business unter die Leute zu bringen, gerettetes Essen, das geteilt wurde und sogar einen mit Velostrom betriebenenes Kino. Die Parkplätze waren alle ein Ort zum Vorbeikommen und sich zu treffen, um sich über die Zukunft des Quartiers oder Klatsch und Tratsch auszutauschen. Ich wurde immer herzlich und gespannt begrüsst. Die Leute waren gwundrig, was auf den anderen Parkplätzen so vor sich ging und ich habe auch mal Grüsse zwischen Bekannten überbracht.

Viele haben mich gefragt, ob ich mich nächstes Jahr wieder auf die Tour mache oder doch lieber einen eigenen Parkplatz gestalte. Beides hört sich spannend an. Ich würde gleich einen Parkplatz vor unserer Haustür reservieren. Ich wohne seit fünf Jahren hier und kenne gerade einmal meine nächsten Nachbarn ein bisschen. Wieso? Vielleicht, weil es hier keinen Ort gibt, an dem man sich trifft, keiner zum Verweilen oder sich kennenzulernen. Hoffentlich würde das eine oder andere bekannte Gesicht vorbeischauen, das ich nur vom gegenüberliegenden Fenster kenne.

Ich hätte nie gedacht an einem einzigen Tag so viele tolle Geschichten zu sammeln und so viele spannende Menschen zu treffen. Dies alles hier reinzupacken wäre fast schon eine Verschwendung. Deshalb gibt es in den kommenenden Wochen immer mal wieder kleine Geschichten von den verschiedenen Parkplätzen.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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