Die Firma, in der ich arbeite, baut Orgeln. Wir machen fast alles selber, es ist noch immer richtig währschaftes Handwerk. Noch bis vor wenigen Jahren hatten wir einen eigenen Eichenwald, denn beim Orgelbau ist das meiste aus Holz. Ausser die Orgelpfeifen sind aus Metall. Die Pfeifenmacher heizen das Metall in einem grossen, alten Kessel auf, giessen es auf einen langen Tisch, hobeln, schneiden, klopfen und wickeln es am Schluss zu einer Röhre. Das ist strenge Arbeit. Dafür können wir die Klangfarben nach Wunsch der Kunden bestimmen. Das geht bei Pfeifen ab Stange nicht.
Das Innere einer Orgel ist sensationell komplex, viel komplexer als beispielsweise ein Klavier. Von der Taste gibt es sehr lange Wege zur Pfeife. Wippen, Drähte, Winkel, Wellen, Windkanäle, Registerstangen und so weiter, abertausende verhängte Teilchen. Das braucht eine ganz aufwendige Planung. Ich habe mit den kleinen Teilchen zu tun, zum Beispiel tuche ich Löcher von Holzwinkeln oder Wippen mit Kaschmir aus, damit die Drähte darin nicht klappern. Oder ich stanze Leder und Filz, klebe, schneide, bohre, schraube, grafitiere und vieles mehr.
Meinen ursprünglichen Beruf als Hauspflegerin habe ich irgendwann mal aufgegeben. Ich hatte dann riesiges Glück, dass mein Laufbahnberater nicht nur Psychologe, sondern auch Schreiner war und im Orgelbau gearbeitet hatte. Nachdem mich verschiedene Berufsideen nicht überzeugt hatten, sagte er irgendwann: «dann gehen Sie halt in den Orgelbau, die brauchen Frauen für feine Sachen». Das habe ich dann getan.
Orgelbauen ist wie gesagt wahnsinnig kompliziert. Auch nach zehn Jahren Arbeit habe ich null Ahnung, wie eine Orgel funktioniert. Ich kenne zwar ganz viele Einzelteile, aber wie am Schluss alles zusammenspielt, das ist etwas anderes. Und genau muss es sein, ganz genau arbeiten muss man, es muss laufen wie ein Örgeli! Das Schöne daran ist: wir sind wie eine Familie, wir arbeiten zusammen an einem Projekt, eine Orgel aufs Mal. Das dauert je nach Orgelgrösse mehrere Monate bis zu einem Jahr.