Die Umweltseite sagt: ihr von der Wirtschaft wollt ja nur Geld machen. Die Wirtschaft sagt: die Politik will uns einfach einschränken und administrativ belasten und ihr von den NGOs braucht Schuldige, damit ihr eure Mitglieder bei der Stange halten könnt.
Versuche, Vertreter der Wirtschaft, Politik und NGOs an runden Tischen zusammenzubringen, gibt es zwar schon lange. Aber am Anfang war das einfach sehr emotional. Da sind Leute aufgestanden und wollten rauslaufen, weil sie fanden, so geht es gar nicht. Sobald die Diskussion in Richtung Politik ging, zum Beispiel um CO2-Steuern, waren sofort alle an der Decke, und je zeitlich näher ein politisches Geschäft, desto schwieriger war es. Wir haben füreinander unverständliche Sprachen gesprochen.
Ich habe mich stark in der Vermittlerrolle wahrgenommen, zwischen den fundamentalen Seiten der verschiedenen Interessensgruppen. Der zentrale erste Schritt war, einen Raum zu schaffen, in dem wir zusammenarbeiten können, im physischen und auch im übertragenen Sinn. Wir stellten dafür gemeinsam Regeln auf. Die wohl wichtigste: In diesem Raum sprechen wir nicht über Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen. Wir suchen nach Lösungen im Rahmen der bestehenden Leitplanken und egal, was auf der gesetzlichen Ebene passiert. Denn nur schon darin liegt ein riesiges Potential. Da haben wir immer darauf gepocht, wenn jemand wieder weggedriftet ist. Zuerst waren wir nur wenige, aber mit der Zeit haben alle begonnen, die Regeln durchzusetzen. Das war für mich sehr schön. Das war nun drin in unseren Köpfen. So konnten wir das Vertrauen aufbauen, um überhaupt miteinander sprechen zu können. Wir haben auch akzeptiert, dass wir uns ausserhalb dieses Raums öffentlich weiterhin kritisieren werden, wenn wir nicht einer Meinung sind.
So haben wir es geschafft, dass alle, Staat, Wirtschaftsverbände, NGOs, anerkennen, dass es Handlungsbedarf gibt: ganz klar, wir müssen unsere Umweltbelastung reduzieren. Das war ein grosser Schritt nach vorne. Kunststoff zum Beispiel häuft sich in der Umwelt mehr an, als dass er abgebaut wird. Das ist ein Fakt. Wir haben also ein Problem, wie lösen wir es? Wo sind die grössten Hotspots, was könnten wir in der Schweiz machen? Dank dem neuen Vertrauen konnten wir plötzlich über solche Dinge sprechen. Und dann haben wir nicht über Plastiksäckli oder Röhrli diskutiert, sondern über die grossen Dinge, Gebäudehüllen, Wasserrohre, Pneuabrieb. Jetzt machen die Umweltverbände mit der Kunststoffindustrie ein gemeinsames Projekt, das wäre vorher nicht machbar gewesen. Auch mit der Textilindustrie haben wir eine gemeinsame Initiative. Da konnte ich einfach das Telefon in die Hand nehmen und fragen: wäre das nicht etwas für euch?
Als ich noch für den WWF Unternehmenspartnerschaften aufgebaut habe, haben wir schnell gemerkt, dass wir keinen Schritt weiterkommen, wenn wir uns nur gegenseitig beschuldigen. Wo sind eigentlich die gemeinsamen Interessen? Wenn wir mit dieser Frage begonnen haben, war plötzlich von beiden Seiten die Bereitschaft da, sich auf eine konstruktive Diskussion einzulassen. Von meinem Hintergrund her verstehe ich die Bedürfnisse, Sicht und Sprache der Unternehmen. Gleichzeitig habe ich als Chef der Umweltorganisation PUSCH den Umwelthut an. Dieses Verständnis und die Akzeptanz von beiden Seiten haben mir sehr geholfen.
Innerhalb unseres Raumes sprechen wir nicht über Politik. Lustigerweise hat das dazu geführt, dass wir jetzt dafür ausserhalb des Raums zusammen über Politik reden können. Das geht hoch bis zum Nationalrat oder Ständerat, ich kann jemanden anrufen und fragen: was ist eigentlich das Problem für euch, wieso seid ihr zum Beispiel bei den Pestiziden so dagegen? Meistens stimmt die Antwort dann nicht mit dem überein, das plakativ in den Medien steht. Es hilft sehr, wenn man die politischen Anliegen der Gegenseite nicht über Medienschlagzeilen kennenlernt, sondern eins zu eins in der Diskussion.
Vor allem am Anfang wurde ich auch schon gefragt: verkaufst du nicht deine Seele, wenn du mit der Gegenseite Kompromisse eingehst? Aber ich bin überzeugt: die wirklich grossen Dinge können nur angepackt werden, wenn wir zusammenarbeiten. Rauszufinden, wo sind die Gemeinsamkeiten und mit was können wir alle leben, das macht bereits unter Umweltleuten sehr viel Spass. Und mit der Gegenseite ist das mindestens so spannend.