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Wenn mir ein Kleidungsstück verleidet ist oder es nicht mehr zu meinem Leben passt, aber in gutem Zustand ist, dann mag ich es nicht einfach in eine Lumpensammlung geben. Ich finde Kleidersammlungen lieblos, die man mit Schuhen, Anzügen, Unterwäsche und alten Handtaschen füllt und dann den Sack dann vor die Türe stellt, wo er abgeholt oder von Füchsen aufgerissen wird. Und intakte Kleider in die Abfuhr zu geben, brächte ich auch nicht über mich. Es ist mir ein Anliegen, dass gute Stücke weiterverwendet werden können.

Mein verstorbener Mann zum Beispiel besass viele schöne Anzüge von guter Qualität. Kurze Zeit nach seinem Tod kam ich an einem öffentlichen Anlass an der Zürcher Hochschule der Künste mit einer Frau ins Gespräch, die mir erzählte, dass sie der ZHdK jeweils alte Anzüge ihres Mannes und ihrer Söhne zur Verfügung stelle. Viele junge Kunst- und Musikstudenten könnten diese gut gebrauchen, sei es für Bewerbungen um Jobs oder auf der Bühne. Das fand ich eine geniale Idee und setze mich sofort mit dem Sekretariat in Verbindung. Dieses war sehr angetan von meinem Angebot. Ich wusste auch, dass die Anzüge für junge Männer gut geeignet waren, da mein Mann sehr schlank war. Man fragte mich sofort, wann die Kleider abgeholt werden könnten und wir einigten uns auf die folgende Woche. Ich stellte alles auf den vereinbarten Termin zusammen. Zu meiner Überraschung fuhren sie mit einem Auto mit Anhänger vor, in den man alles schön und knitterfrei hineinlegen konnte. Ich war richtig gerührt und happy, die mit vielen Erinnerungen verbundenen Stücke in gute Hände zu geben. Und hatte erst noch das Gefühl, eine gute Tat begangen zu haben. Es erleichterte mir den Abschied. Die Anzüge hatten nun ein neues, aufregendes Leben vor sich. Wenn ich an einem Anlass an der ZHdK war, schaute ich manchmal, ob ich einen Anzug meines Mannes erkenne.

Inzwischen haben sich die Zeiten auch für mich geändert. Meine Berufstätigkeit war bis vor einigen Jahren ein guter Grund, ab und zu neue Kleider zu kaufen. Nachträglich muss ich mir eingestehen, dass solche Käufe oft kompensatorischer Natur waren, im Sinne von: «Ich habe mir etwas Gutes verdient». Gelegentlich waren es auch Trost-Käufe. Das ist mir erst in meinem neuen Leben richtig bewusst geworden. Ich habe immer noch Freude an schönen Kleidern, aber heute kommt mir eher in den Sinn, dass in meinem Kleiderkasten schon etwas ähnliches hängt. Die Moral der Geschichte? Ein ausgeglicheneres Leben ist auch ein Beitrag an eine umweltfreundlichere Welt.

Diese Erkenntnis hat mich auch dazu gebracht, einen vollen Überseekoffer mit gut erhaltenen Kleidern in einen Second Hand Laden zu bringen, wo man sich aufrichtig über die guten Stücke freute. Das hat mir das Loslassen leicht gemacht. Heute bin ich froh, dass ich nicht ständig Kleiderbügel suchen muss, weil alle besetzt sind.

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Stories for Future wurde 2020 von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer ins Leben gerufen. Das Projekt ist nicht-gewinnorientiert und zählt auf viel freiwillige Arbeit. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt Stories for Future für die Projektphase 2021-2024. Neben der digitalen Publikation veranstaltet Stories for Future immer wieder Ausstellungen im physischen Raum und Workshops und Vorträge.

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