Zuhause habe ich immer einen Stapel Kleider. Kleider von meinen Söhnen und Enkelkindern, die alle darauf warten, geflickt zu werden. Begonnen habe ich das, als meine Kinder noch klein waren. Ich habe alles geflickt, was man flicken konnte. Fortwerfen konnte ich einfach nichts und es war mir eine Freude, dem, was andere Leute wegwerfen, neues Leben zu geben. Wir hatten damals auch nicht so viel Geld und das hat natürlich geholfen, aber eigentlich war das Geld nicht ausschlaggebend. Als ich und meine Söhne einmal in der Post in der Schlange am Warten waren, sagte eine Frau zu mir: «Sie, ich muss ihnen etwas sagen. Die Hosen ihres Sohnes, die sind wirklich toll, fünf Mal mit einem «Blätz» geflickt, so etwas sieht man heute nur noch selten». Ich habe das eigentlich immer als selbstverständlich empfunden.
Meine Söhne haben irgendwie verinnerlicht, dass man Dinge flicken kann. Sie wünschen sich von mir nun jedes Jahr Flickgutscheine auf Weihnachten, und sie haben gemerkt, dass das dann doch nicht selbstverständlich ist, dass ich das mache. Die Flickgutscheine gestalte ich immer anders; zum Beispiel als farbige Kartonkarten, die ich durch Nähen ohne Faden in Blöckchen zum Abreissen verwandle oder mit verschiedenfarbigen Fäden genäht. Für mich ist das eigentlich symbolisch, aber mein älterer Sohn nimmt das sehr ernst. Als ich einmal für meinen jüngeren Sohn etwas flickte, obwohl er eigentlich keinen Gutschein mehr hatte, meinte der Ältere entrüstet: «Geht’s noch?! Flicken ohne Gutschein?!»