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Gestern hatte ich ein Treffen mit acht Leuten auf einer virtuellen Plattform. Die Gruppe beschäftigt sich damit, ein Bildungsangebot im Bereich der Gemeingüter oder Commons, wie es in Englisch heisst, zu erarbeiten. Gemeingüter sind Dinge, die alle Menschen brauchen, wie Kultur, Sprache oder natürliche Ressourcen. Wir möchten ein möglichst offenes Format schaffen, für alle zugänglich, aber man soll trotzdem etwas vorweisen können, wenn man das Angebot absolviert hat.

Angefangen hat diese Initiative letzten Sommer, als sich zwei Leute mit einem Commons-spezifischen Hintergrund trafen. Nun gibt es regelmässige Treffen, neuerdings halt eben im virtuellen Raum. Beim ersten Mal war es schwer für mich. Ich war zweieinhalb Stunden online, mit lauter Leuten, die ich nicht kannte. Im echten Leben holt man sich zum Beispiel einen Kafi und plaudert zufällig mit jemandem. Es ist im virtuellen Raum fast unmöglich, einen persönlichen Austausch zu haben. Normalerweise sind diese Plattformen für den virtuellen Austausch ja sehr hierarchisch organisiert, man hat nicht viel Freiheit, wann man mit wem spricht.

Wir haben deshalb eine Untergruppe gegründet, die sich genau damit beschäftigt und nach besseren Formen sucht. Wir haben nun eine technische Lösung gefunden, dass die Leute auch online selber wählen können, in welchen sogenannten Breakout Rooms sie über bestimmte Themen mitreden oder mit wem sie einfach ein bisschen plaudern wollen. So traf ich im Hauptraum eine Person, die dort wartete, da sie sich erst später eingeloggt hatte. Wir kamen spontan ins Gespräch, dann kam eine weitere Person dazu. Es war ein spannender Austausch und wir haben uns ganz gut kennengelernt. Genauso wie wir es uns vorgestellt hatten, war es trotzdem nicht, es gab immer noch ein paar technische Probleme und es ist auch im Sozialen etwas anderes, man spürt die Leute nicht auf die gleiche Art, wie wenn man sich persönlich trifft. Aber es war viel besser als beim ersten Anlass, wo wir noch keine solchen Vorkehrungen getroffen hatte.

Ich bin der einzige aus der Schweiz, die anderen sind verstreut über Deutschland. Die Möglichkeit, sich virtuell auszutauschen, ist cool, weil so viel regelmässiger alle teilnehmen können. Wahrscheinlich wird es sich auf lange Sicht etablieren, dass es beide Formate braucht, das persönliche Treffen und die virtuellen Formate. Corona hat uns da neue Möglichkeiten eröffnet, die Zusammenarbeit zwischen entfernten Personen ist einfacher geworden.

Für die Sitzung von gestern haben wir abgemacht, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich einen schönen Platz suchen, etwas zu essen und trinken mitnehmen und sich anziehen, als würden sie aus dem Haus gehen. Wir wollten, dass es nicht einfach das x-te Online-Meeting ist, sondern den Anlass ein bisschen zelebrieren. Zum Start haben wir den Raum gezeigt, wo wir sassen. Eine war genau dort, wo das erste physische Treffen der Gruppe stattgefunden hatte und hat ein bisschen davon erzählt. Das hat uns, die wir damals nicht dabei waren, ein Bild gegeben, wie es ausgesehen hat, es war dadurch nicht ganz so abstrakt. Eine andere Teilnehmerin hat sich schön geschminkt und ein lustiges Hemd getragen, wieder andere haben ein bisschen Dekorationen aufgehängt oder auffälligen Schmuck angezogen.

Ich selber habe im Cheminée ein Feuer gemacht und mich im Fauteuil davorgesetzt. Ich fand es sehr cool. Oft gehst du ja manchmal direkt aus dem Bett vor den Bildschirm, ungekämmt und in den Pijamahosen. Der Auftrag, man solle sich ein bisschen hübsch machen, und die Möglichkeit, zufällig auf Leute zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen, hat viel Menschliches in die Virtualität gebracht.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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