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Kinder beim Lernen begleiten und Lebensmittel retten sind meine wichtigen Themen. Mit der Arbeit in der Waldschule verdiene ich mein Geld, und die Freizeit – wenn man das so nennen kann – widme ich den Lebensmitteln. Hinter beidem möchte ich stehen können, bei beidem glücklich sein.

Ich mache die Ausbildung zur Naturpädagogin, aber durch die Praxis beim Arbeiten lerne ich mehr als in der Ausbildung. In der Waldschule sind wir eine wunderbare Gemeinschaft, dreissig Kinder in verschiedenen Altersstufen. Auf der Kindergartenstufe heissen sie Wurzelwirbel, auf der Schulstufe Zapfenzwirbel. Ich versuche genauso offen zu sein wie die Kinder. Die Neuen haben gerade ihre Sammelsäckchen gebastelt. Die Älteren haben sie begeistert dabei unterstützt. Sie zeigen gerne, was sie können, übernehmen die Rolle von Helferkindern. Im Mathe-Unterricht zählen sie Holzstücke, machen Spiele, messen alles Mögliche aus. Rechnen passiert so ganz oft nebenbei. Im Sprachunterricht schreiben sie jede Woche zwei Einträge in ihr selbst gemachtes Ledertagebuch. Für die einen ist es ein Erfolg, wenn sie ein paar Wörter schreiben können. Mit anderen arbeiten wir genauer am Inhalt und der Form.

Es ist doch schon verrückt, dass an öffentlichen Schulen schon sechsjährige Kinder stundenlang stillsitzen müssen. Bei uns bewegen sie sich in der Natur, der Umgang miteinander und die Lust am Lernen stehen im Zentrum. Das sollte doch für alle Kinder möglich sein. 

An zwei Vormittagen pro Woche üben die Schulkinder in unserem Raum an der ETH. Im Garten, wo wir Pause machen, hat es einen Gemeinschaftskompost. Einmal kamen die Kinder empört angerannt, weil sie im Kompost viel Brot gefunden hatten, das noch ganz gut aussah. Sie haben angefangen davon zu essen. Einige Eltern hätte das wohl gestört. 

Da kommen meine beiden Themen zusammen. Wenn wir im Wald kochen, verarbeiten wir oft gerettete Lebensmittel. Ich möchte die Kinder damit auch auf das Thema Food Waste sensibilisieren. 

Von mir sagen Menschen, ich sei extrem, weil ich fast ausschliesslich von gecontainertem oder durch Foodsharing gerettetem Essen lebe. Ich finde das inzwischen normal. Was ich zu viel habe, gebe ich zum Beispiel an den wöchentlichen Znacht für ukrainische Geflüchtete auf dem Wynegghof, befülle die öffentlichen Kühlschränke von Madame Frigo oder verteile es über private Kontakte weiter. Damit habe ich auch Abnehmer:innen für Fleisch gefunden, denn in meinem persönlichen Umfeld ist das gar nicht so einfach.

Ich lebe seit einigen Jahren so. Damit spare natürlich auch viel Geld, welches ich davor im Bioladen ausgegeben habe. Das macht sicher tausend Franken oder mehr im Monat, aber es ist auch viel Arbeit: Foodsharing und Containern ist für mich etwa ein 40-Prozent-Pensum. Apropos: beim Containern wurde uns schon ein Fünfzigernötli entgegengestreckt, weil die Leute gedacht haben, wir sind arm. Das ist doch irgendwie auch lustig.

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Stories for Future wurde 2020 von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer ins Leben gerufen. Das Projekt ist nicht-gewinnorientiert und zählt auf viel freiwillige Arbeit. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt Stories for Future für die Projektphase 2021-2024. Neben der digitalen Publikation veranstaltet Stories for Future immer wieder Ausstellungen im physischen Raum und Workshops und Vorträge.

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