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Das Konzept Neustart Schweiz beschreibt eine intakte Dorfstruktur, die in einer Stadt funktioniert. Jedes Element daraus gibt es heute schon irgendwo und hat sich bestens bewährt. Aber dass man das zu einem stimmigen, urbanen Ganzen baut, das ist das Neue.

Es geht um Siedlungen mit ein paar hundert Leuten, die eine Bedarfswirtschaft aufbauen: Wir schauen, was es zum guten Leben braucht, und das organisieren wir selber. Du hast in der Siedlung nicht nur einen Mietvertrag, sondern auch einen Arbeitsvertrag, wo deine Ämtli definiert sind. Es gibt ein Lebensmittel-Depot, gefüllt von nachhaltigen Landwirtschaftsbetrieben und Food-Kooperativen. Alles kann immer frisch in naher Distanz geholt werden. Es gibt eine Grossküche. Kinder- und Altersbetreuung sind durch die Bewohner*innen organisiert. Man muss für all das nichts bezahlen, weil es durch Grundbeiträge und Eigenarbeit finanziert ist. Genau besehen wäre es ja nur logisch, dass man lieber so leben würde.

In einer solchen Nachbarschaft sparst du nicht nur massiv Zeit, sondern auch Geld, weil das meiste ausserhalb der Marktwirtschaft passiert. Wir haben das mit einem Ökonomen gründlich analysiert. Du brauchst all den Zwischenhandel und das ganze Marketing nicht und du vermeidest Foodwaste. So hast du genug Geld, um die Produzenten für grossartige Lebensmittel fair zu bezahlen. Auch ökologisch macht es Sinn, das haben wir mit einem Ökobilanzierer ebenfalls durchgerechnet. Die Wege sind kurz und wir essen vor allem, was das Land in der Saison hergibt oder gelagert werden kann. Kein Foodwaste ist auch hier ein Gewinn. Und man nutzt die Infrastrukturen und viele Sachen des täglichen Gebrauchs gemeinsam.

Das Bezirksgebäude wäre mein Lieblingsort, um mit der Umsetzung anzufangen. Auch der Car-Parkplatz beim Sihlquai wäre super. Die Personalhäuser beim Triemli nähme ich sofort. Dort haben wir in einem Ideenwettbewerb eine Eingabe für die Umnutzung der Betonbauten aus den Fünzigerjahren gemacht. Unter Dutzenden anderer Vorschläge wurde unser Konzept als das Sinnvollste bezeichnet, weil wir mit kleinsten Eingriffen etwas machen, das in allen Dimensionen zukunftsfähig ist. Der Zürcher Gemeinderat forderte bereits eine solche Klimagenossenschafts-Siedlung, der Stadtrat hat zwei Jahre Zeit, eine Umsetzung zu ermöglichen – die Triemli-Ex-Personalhäuser wären bereit dafür.

Es gibt bereits realisierte Projekte in Basel und Bern. Und Ansätze in Vorarlberg und Tübingen. Manchmal braucht es nur eine klitzekleine Intervention und eine Nachbarschaft fängt an, sich zu organisieren. Etwa im Zürcher Neubühl: Da war ich zu einen Salon-Abend eingeladen und habe unser Modell auf diese Nachbarschaft gemünzt, das hat einiges ins Rollen gebracht. Einer fragte: Wie gleisen wir das auf? Unterdessen gibt es jeden Samstag einen Bauernmarkt, und ein Stück Land, wo sie gemeinsam Gemüse anbauen. Auch eine Krise kann viel auslösen. In Athen gibt es «dank» der Staatskrise neue Gemüsekooperativen – und sogar im Gesundheitswesen haben sich Quartiere selber organisiert. Aus der Not heraus ist etwas Gutes entstanden. Das Modell ist so stark, in einer Krise setzt es sich wie von alleine durch.

Das Modell umfasst natürlich noch mehr, als die Lebensmittel-Versorgung und die Care-Arbeit; es ist soweit ausgeklügelt, dass es umgesetzt werden kann. Und es gibt viele Menschen, so wie ich, die sofort in eine solche Klimagenossenschaft einziehen möchten.

Diese Geschichte wurde im Rahmen des Projekts Stories für Züri gesammelt.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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