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Während meiner Schulzeit in Mecklenburg war ich als Jung-Ornithologin jede Woche mit einer Gruppe im Wald unterwegs. Es war mein Traum, beruflich einmal etwas mit Natur zu machen, aber in Ostdeutschland konnte man seinen Berufsweg damals leider nicht gross wählen. Ich habe eine Lehre als Bauzeichnerin gemacht und dann Bauingenieurin studiert. Das war auch ganz ok. Mitte der Neunzigerjahre habe ich mich an der ETH beworben und wurde ich für ein Vorstellungsgespräch eingeladen. Ich spazierte zum See, sah in der Ferne die schneebedeckten Berge und dachte, das ist ja der Wahnsinn, eine Postkartenlandschaft! Da will ich leben. Ich habe die Stelle bekommen und bin unterdessen fest in Zürich verwurzelt.

Später, bei den SBB und beim Kanton, konnte ich Projekte und Baustellen umweltfreundlicher gestalten, da haben wir wirklich grosse Verbesserungen erreicht. Mit jedem Stellenwechsel ist es mehr in Richtung Grün gegangen. Nun bin ich bei Grünstadt Zürich und dachte, jetzt bin ich im El Dorado der Biodiversität angelangt. Doch auch hier gibt es verschiedene Interessen. Am Bürkliplatz oder beim Hauptbahnhof mit all dem Verkehr hätten Heuschrecken und Schmetterlinge eh keine Chance, also lassen wir da diese Prachtbeete mit den grossblütigen, knallbunten Blumen. Sonst mische ich mich überall ein, mein Motto ist “Grüner geht’s immer”. Nicht mehr nur in den eigentlichen Schutzobjekten soll die Natur sich entfalten, jede Baumscheibe zählt. Mehr einheimische Pflanzen schaden niemandem und sie sind auf ihre leisere Art mindestens so schön. Heute sind auf Stadtgebiet elf Prozent der Flächen ökologisch wertvoll. Unser strategisches Ziel ist, auf fünfzehn Prozent zu kommen. Es fehlen ja nur noch vier Prozent! Aber das sind um die 300 Fussballfelder. Diese Flächen zu finden, aufzuwerten und auf lange Sicht zu sichern, ist eine echte Herausforderung.

Es gibt viele Orte, wo wir uns entfalten können, einer meiner liebsten ist die Stadtgärtnerei, eine grüne Oase mitten in Albisrieden. Unter der alten Eiche lausche ich dem Blätterrauschen und Vogelgezwitscher und lese im Schatten gemütlich ein Buch. Unsere «Grüne Agenda» bietet Vieles für die Bevölkerung, Ausstellungen und Führungen, Veranstaltungen über Mittag zu Pilzen oder Pflanzenvermehrung und die Haltbarmacherei. Wir werden uns noch weiter öffnen und zusammen mit Schulklassen oder mit Leuten aus dem Quartier auf dem Areal gärtnern.

Mein Berufsleben hat sich tatsächlich so entwickelt, wie ich es mir erträumt hatte, das ist wunderbar. Gleichzeitig habe ich ein paar grössere Ideen, vor allem, was man mit den Strassen in der Stadt machen könnte: Denn wenn es im Quartier nur noch Einbahnstrassen gäbe und kaum Parkplätze im Freien, bekämen wir mehr Lebensraum und Spielflächen für Natur und Menschen. Da hätten wir locker dreihundert oder mehr Fussballfelder beisammen. Dafür musst du nur die Einstellung ändern: In Zürich braucht niemand ein privates Auto. Langsamverkehr, ÖV, Carsharing und Lieferdienste ermöglichen für alle die Mobilität, die es braucht.

Diese Story wurde im Rahmen der Serie Stories für Züri gesammelt.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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