Neue Geschichten jeden Dienstag und Freitag.

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Wenn ich mit den Schüler*innen am Gymi lateinische Texte lese, kommt das Gespräch immer wieder auf die zentralen Punkte: Was ist ethisch richtiges Verhalten? Gerechtigkeit? Gleichberechtigung, Diversität oder Tierrechte – sind Tiere weniger wert? Die Schüler*innen sagen: Das sind ja unsere modernen Sklaven, sie haben keine Rechte, werden ausgebeutet, schliesslich getötet. Oder wir schauen den Slavery-Footprint an, den wir mit unseren Konsumgütern heute haben.

Man muss Nachhaltigkeit gross denken, in lateinischen Texten geht es meist um ethische und moralische Fragen. Umweltprobleme in einem modernen Sinn gab es in der Antike kaum, das einzig vergleichbare Problem war die Abholzung. Die Römer lösten es, indem sie immer weitere Regionen erobert und dort die Wälder plünderten. Die Erkenntnis, dass wir auf einem endlichen Planeten leben, ist neu.

Wenn wir Caesar lesen, fragen wir uns: Was ist das für ein Mensch, der für Reichtum und Macht Krieg führt? Darum dreht sich die gesamte antike Philosophie: Wer bin ich, was darf ich? Und: was ist ein gutes Leben? Die Antwort darauf ist praktisch immer: Was dich glücklich macht, ist schon da. Sei genügsam, dankbar und erkenne das Gute.

Fachdidaktik ist eine wunderbare Ergänzung zum Unterrichten. Ich kann Studierenden zeigen, wie ich einen aktuellen und modernen Lateinunterricht verstehe, kann ihnen meine Ideen weitergeben. In anderen Fächern, wo es mehrere Dozierende für Fachdidaktik gibt, sieht man, wie unterschiedlich der Lehrstoff gewichtet wird. Im Latein gibt es nur mich. Eine andere Person würde die Sachen vielleicht anders vermitteln. Es ist keine exakte Wissenschaft.

Unsere Aufgabe ist es, Texte zu wählen, die Stoff zum Nachdenken und Diskutieren bieten. Wir haben wenig Zeit, drei Lektionen pro Woche. Unsere SchülerInnen sollen in jedem Text, den wir lesen, etwas finden, wo sie andocken können. Es darf auch irritierend sein, aber es muss eine Reaktion auslösen, soll berühren. Sie sollen kritisch denken lernen, sich selber hinterfragen, ihre Reaktionen wahrnehmen und anhand der antiken Welt die heutige Welt verstehen.

Es ist eine ständige Herausforderung, auch persönlich. Heute geht es um Ganzheitlichkeit. Was man vermittelt und wie man lebt, das muss passen. Dieses Gefühl von Glaubwürdigkeit, das sich daraus ergibt, ist für mich untrennbar mit einem guten Leben verbunden. Das sahen die Stoiker auch so: Das gute Leben ist, im Einklang mit der Natur und den eigenen Prinzipien zu leben. Oder: Nach Nachhaltigkeit zu streben, macht uns glücklich.

Diese Story wurde im Rahmen der Serie Inspiring Stories an der Universität Zürich gesammelt.

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Stories for Future wurde 2020 von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer ins Leben gerufen. Das Projekt ist nicht-gewinnorientiert und zählt auf viel freiwillige Arbeit. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt Stories for Future für die Projektphase 2021-2024. Neben der digitalen Publikation veranstaltet Stories for Future immer wieder Ausstellungen im physischen Raum und Workshops und Vorträge.

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