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Im Januar 2008 begann ich meine Reise von Kreuzlingen nach Mumbai, auf dem Landweg, während 25 Monaten und fünf Tagen. Die erste Etappe ging via Moskau in die Mongolei. Dort blieb ich längere Zeit, ebenso in China, Taiwan, Tibet und Nepal sowie schliesslich in Indien. Einige der Länder, die ich besuchte, gelten als sogenannte Entwicklungsländer.

Nach meiner Rückkehr habe ich an der Universität Zürich mit Ethnologie, Philosophie und Kunstgeschichte begonnen. Ich habe eine steile Karriere im Studierendenverband gemacht — im ersten Semester, an der ersten Sitzung, wurde ich gleich in den Vorstand gewählt. Ich wollte mich für Nachhaltigkeit engagieren und habe schnell ein paar Kompliz*innen gefunden. Wir haben gesehen, dass die Studierenden der Universität Basel Nachhaltigkeitstage durchgeführt hatten und dachten: Das können wir auch, aber wir machen eine ganze Woche daraus – die Nachhaltigkeitswoche Zürich. Richtig losgegangen ist es, als ich Altbundesrat Leuenberger anrief um zu fragen, ob er bei unserem Podium dabei sein mag. Was für eine Überraschung: Er hat tatsächlich das Telefon abgenommen und spontan zugesagt. Da war uns klar: Jetzt müssen wir Gas geben. Mit Studierenden der ETH Zürich organisierten wir über dreissig Veranstaltungen — theoretische, praktische und kreative. Um die Nachhaltigkeitswoche so zugänglich wie möglich zu machen, waren alle Veranstaltungen öffentlich und kostenlos. Aber wir wollten auch einen Einfluss auf die Universität selbst haben. Diese sollte eine Person benennen, welche für Nachhaltigkeit verantwortlich ist. Wir haben stark lobbyiert, haben unter anderem mit allen Prorektor*innen gesprochen, und es hat tatsächlich geklappt. An der zweiten Nachhaltigkeitswoche wurde der neue Nachhaltigkeits-Beauftragte vorgestellt. Unterdessen hat die Nachhaltigkeitswoche Zürich, längst ohne mich, bereits das zehnjährige Jubiläum gefeiert.

Mein einziges Engagement während des Studiums ausserhalb der Hochschule war in einer freiwilligen Regionalgruppe von Public Eye, die damals noch Erklärung von Bern hiess. Die NGO setzt sich dafür ein, dass Schweizer Unternehmen und Politik ihre Verantwortung zur weltweiten Achtung der Menschenrechte wahrnehmen. Jetzt bin ich bei Public Eye angestellt und koordiniere die Freiwilligenarbeit.

Kürzlich lancierten wir eine Kampagne für den Ausstieg der Schweiz aus dem Kohlenhandel. Am nationalen Aktionstag haben sich unter anderem unsere Freiwilligen in Winterthur etwas Schönes ausgedacht: Sie haben sich als Minenarbeiter*innen ausgegeben und schoben Schubkarren voller Kohle, besteckt mit Schweizer-Fähnchen, durch die Stadt. Das hat grosse Aufmerksamkeit geschaffen, sie haben die Passant*innen informiert und eine Petition zum Unterschreiben herumgereicht. Das war ein toller Erfolg.

Ich bin überzeugt, dass eine gerechte und zukunftsfähige Welt möglich ist. Und dass die Lebensumstände der benachteiligten Bevölkerung in den «Entwicklungs- und Schwellenländern» verbessert werden müssen. Doch was hat das mit uns zu tun? Viele Schweizer Unternehmen und die Schweizer Politik verletzen im Ausland Menschenrechte. Wenn ich freie Hand und genügend Ressourcen hätte, würde ich die Schweiz als «Entwicklungsland» definieren. Die Schweiz muss sich weiterentwickeln und ihre Verantwortung weltweit wahrnehmen. Denn globale Gerechtigkeit beginnt bei uns!

Mehr über die Nachhaltigkeitswoche Zürich findest du hier. Und über die Aktionen von Public Eye hier.

Diese Story wurde im Rahmen der Serie Stories für Züri gesammelt.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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