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Vor drei Jahren sass ich auf dem Paradeplatz in meinem kleinen Boot und ruderte. Vor mir war die Credit Suisse, um mich Musik vom Untergang der Titanic. Die Botschaft war klar: CS, wenn du das Ruder nicht herumreisst, gehst du unter. Nachdem es dann tatsächlich passiert war, stand ich wieder dort und protestierte. Nicht schön, dass wir recht bekommen haben.

Nach der Schule war ich auf der höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule und habe kurz bei einer Bank gearbeitet. Ich musste auf Nummernkonti die Devisentransaktionen verbuchen, damit konnten Leute ganz anonym und ohne zu arbeiten sehr viel Geld verdienen. Die enormen Summen, die sind mir geblieben.

Danach habe ich bei der NGO «Erklärung von Bern» angefangen. Nach dem Chiasso-Skandal in den Siebzigerjahren haben wir die erste Bankeninitiative lanciert. Am Abend mussten wir immer unsere Dokumente mit nach Hause nehmen, für den Fall, dass die Polizei das Büro durchsucht. Mein Chef hat sogar Drohungen bekommen. War das unsere Demokratie? Unser Rechtsstaat?

Die Leute vom Klimastreik hatten mich gebeten, an der Generalversammlung der Credit Suisse eine Rede zu halten. Die Bank hatte eine entscheidende Rolle in einem riesigen Korruptionsskandal in Mozambique gespielt, das ganze Land versank in einer Krise, die bis heute anhält. In meiner Rede sagte ich, dass ich am Morgen noch schnell auf dem Friedhof Manegg bei Alfred Escher vorbeigegangen sei. Er habe gesagt, ihm missfalle sehr, wie das jetzt laufe. Als Gründer möge er innovative Leute, aber was jetzt unter diesem Begriff verkauft werde, sei beschämend.

Nach der GV wollten wir noch eine Aktion auf dem Paradeplatz machen. Ich überlegte mir, wie man am besten gewaltlos Aufmerksamkeit erregen könnte, und schaute, was ich so für Sachen rumliegen hatte. So kam die Idee mit der Titanic. Das hiess: Wenn ihr so weiterfährt, dann Gnade Gott, das ist der sichere Untergang. Wir haben auch eine Liste aller Skandale zusammengestellt, die war endlos lang, und wir haben jeden Mittwoch eine Mahnwache bei der CS aufgestellt, sind einfach dagestanden gegen die Ungerechtigkeit.

Wie kann es sein, wie kann eine Demokratie es zulassen, dass so viele Menschen auf der ganzen Welt wegen Geld aus der Schweiz leiden? Unser Bankensystem ist für die kleine Schweiz ja enorm gross, unglaublich viel Geld von den Reichen dieser Welt liegt hier. Wo gibt es am meisten Rendite? Hei, investieren wir in Waffen und Öl, da läuft es gerade super.

Dagegen kämpfe ich, wenn ich irgendeine Gelegenheit habe, ich kann nicht anders. Du brauchst einfach einen sehr langen Atem, aber dann geht es immer mal wieder ein Schrittchen vorwärts. Den langen Atem behalte ich, solange ich lebe. Ich will ein Stachel sein im Fleisch des ungerechten Systems.

Diese Story wurde im Rahmen der Serie Stories für Züri gesammelt.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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