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Wie wandern geht, wusste ich ja nach diesen Ferien. Ich hatte gut drei Stunden Zeit zum Umsteigen und dachte, es sei sicher schöner, einmal gemütlich quer durch Paris zu laufen, als die Metro zu nehmen und dann beim Gare de Lyon herumzuhängen. Darum beschloss ich, den Weg vom Gare de Montparnasse zu Fuss zu machen.

Ich traf in den paar Stunden mehr Leute als während den ganzen fünf Tagen an der Küste der Bretagne, es hatte viel Verkehr und Ampeln, aber auch mehr Gelegenheiten, bei meinem Stundenhalt etwas zu trinken. Zwischen dem Place d’Italie und dem Jardin des Plantes fand ich auf einem kleinen Plätzchen, im Schatten unter Bäumen, einladende Tische und Stühle. Ich setzte mich hin.

Ein Kellner kam vom Lokal vis-à-vis über die Strasse und nahm meine Bestellung auf. Dann sah ich, dass von einem anderen Lokal diagonal über der Kreuzung ein anderer Mann mit einem Tablett über die Strasse eilte. Aha, die weissen Tischchen bediente der Kellner mit dem weissen Hemd vom Lokal mit den blauen Sonnenschirmen, die schwarzen Tischchen jener mit dem blauen Shirt vom Lokal mit den roten Storen. Der Verkehr schien die beiden recht wenig zu beeindrucken. Wenn zwischendurch viel los war auf der Strasse, warteten sie an der Ampel auf grünes Licht. Ich wurde bestens unterhalten und habe versucht, die Situation zu fotografieren. Als ich ins Lokal ging, um zu zahlen, lachten mich zwei Köche, die gerade am Essen waren, an. Sie meinten, ich müsse mindestens hundert Euro zahlen für dieses Ballett, das speziell für mich aufgeführt worden sei. Ich habe dann so viel Trinkgeld gegeben, dass sie nach der Arbeit zusammen anstossen konnten.

Auf der Schlussetappe sah ich noch die Seine und Notre Dame. Überhaupt habe ich auf meinem Weg viel gesehen, gehört, gerochen. Es kommt mir vor, als sei ich länger in Paris gewesen, als habe ich Spannendes erlebt. Warum ich das erzähle, was es mit Nachhaltigkeit zu tun hat? Das weiss ich auch nicht so genau, aber ich könnte zum Beispiel von den Vorteilen des langsamen Reisens berichten. Was ich genau weiss: ich sitze im Zug in die Schweiz und bin beim Notieren dieser Geschichte einfach immer noch glücklich.

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Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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