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Das Gasshuku in Bern findet jedes Jahr im Sommer statt. Letztes Jahr nicht, wegen Corona, aber diesen Sommer wurde es wieder durchgeführt. Gasshuku ist japanisch und heisst Wochenendfreizeit, wobei, so richtig nach Freizeit hat sich das nicht angefühlt. Während vier Tagen waren es insgesamt mehr als zwanzig Stunden Karate und ich hatte zwischenzeitlich grausame Schmerzen in den Beinen.

Gasshuku hat viel mit dem konfuzianischen Bildungsideal zu tun. Ziel ist, dass Wissen weitergegeben wird. Wer mehr weiss oder kann, teilt seine Erfahrungen mit denen, die noch nicht so weit sind. Im Zentrum steht nicht, was eine Schülerin schon kann, sondern ob sie sich ehrlich und richtig bemüht. Das habe ich selber sehr direkt am Gasshuku erlebt. Ich fühlte mich trotz meinem blauen Gürtel auch von den grossen Senseis anerkannt – das sind die Meister im Karate. Die Blaugurte sind entwicklungsmässig so in der Mitte. Es ist wahnsinnig schön, dass auch wir von den besten Trainerïnnen unterrichtet wurden. Alle haben einen anderen Schwerpunkt gewählt, Schnelligkeit, Kraft, Distanz, Anwendungen im Strassenkampf, Einzel- oder Partnerübungen, und so haben wir unglaublich viel profitieren können. Auch wenn ich eine Technik nur schlecht beherrschte, wurde ich doch dafür gelobt, dass ich immer und immer wieder versucht habe, es besser zu machen.

Es ist nicht leicht, die Muskeln sind die ungewohnten Stellungen noch nicht gewohnt und das bringt eben böse Schmerzen und viel Muskelkater mit sich. Aber es macht dich richtig glücklich, wenn du dann einmal einen Faustschlag so ausführen kannst, dass der Lehrer sagt: Wow, das hat jetzt aber richtig gesessen! Oder wenn du endlich bei einer gedrehten Technik nicht in der Gegend herumtorkelst, sondern der Fuss gezielt in die richtige Richtung schnellt und die Kraft dort ankommt, wo sie soll. Wenn dir dann in der Garderobe noch eine Karatefrau von der obersten Liga erklärt, was du gerade im Training besonders gut gemacht hast, und dass ihr dein Engagement aufgefallen ist, dann ist das pures Glück und eine unglaubliche Motivation. Erstaunlich, wie weit man während dieser vier Tage vom Alltag entfernt ist. Plötzlich ist alles nur noch Karate.

Fast zweihundert Menschen waren beim Gasshuku dabei. Das Aufwärmen und die Chillout-Übungen wurden immer gemeinsam durchgeführt. Es ist ein tolles Gefühl, mit so vielen Menschen zusammen mehr oder weniger synchron die gleichen Bewegungen zu machen. Ein bisschen schade ist es schon, dass man diesem Spektakel nicht zuschauen kann, weil man selber Teil der Menge ist. Ich stelle mir vor, dass es aus der Distanz fantastisch aussieht. Am Schluss jedes Aufwärmens machten wir immer zehn Oi-Zukis zusammen, mit maximaler Kraft wird die Faust nach vorne gestossen und zu jedem Schlag gibt es einen Kiai, einen Kampfschrei, der die Wirkung des Schlages verstärkt. Bei so vielen schreienden Karatekas bekommst du Gänsehaut.

Durch die gemeinsamen Trainingsteile verstärkt sich weiter das Gefühl, dass man Teil einer grossen Bewegung und einer langen Tradition ist, in der alle das gleiche Ziel haben: immer besser zu werden, die Schwächen von Körper und Geist zu überwinden und nach Perfektion zu streben.

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