Man nennt Finnland das Land der tausend Seen. Eigentlich sind es ungefähr zweihunderttausend Seen. Überall ist Natur. Ich bin in einer Stadt aufgewachsen, aber in unseren Städten ist der Wald nie weit weg. Es gibt keine klare Trennung zwischen Stadt und Land, das mag ich wirklich. Ich bin dann am glücklichsten, wenn ich mit meinen Liebsten Zeit verbringen, und wenn ich in der Natur bin. Dort fühle ich, wie klein ich eigentlich bin, wie sehr ich ein Teil dieses wunderschönen Dinges bin, das auch ohne mich funktioniert. Ich geniesse den Wechsel der Jahreszeiten. Der See nebenan gefriert im Winter. Vor nur ein paar Monaten spazierte ich dort noch auf dem Eis und jetzt schmilzt er Schritt für Schritt und wird wieder zu Wasser.
Manche Leute hier sagen, dass wir nicht über den Klimawandel sprechen sollen, dass wir jungen Menschen nicht Angst machen sollen. Aber wenn wir nicht darüber sprechen, wie sollen wir denn Lösungen finden? Ich versuche als Psychologiestudentin meinen Teil beizutragen. Ich untersuche die Verbindungen zwischen Klimaangst, Klimahoffnung und Klimaschutz. Wenn wir von Angst überwältigt werden, kann uns das lähmen. Aber wenn wir neben ein bisschen Angst auch Hoffnung haben, dann beginnen die Menschen zu handeln. Ich spreche nicht von falscher Hoffnung oder von Wunschdenken, sondern von aktiver und konstruktiver Hoffnung. Dass wir fühlen, dass wir etwas tun können, dass unsere Handlungen doch eine Bedeutung haben. Fast alle hier in Finnland glauben an den Klimawandel, aber wir sind ein so kleines Land, dass nicht alle das Gefühl haben, dass wir etwas bewegen können. Aber selbst wenn wir nicht das ganze Problem lösen können, können wir doch immer noch ein gutes Leben führen, das tun, das richtig ist.
In der letzten Zeit fasziniert mich das Thema nachhaltige psychische Gesundheit. Die moderne Gesellschaft will, dass wir alles mehr, schneller und effizienter tun. Wir arbeiten konstant, sind erschöpft, und dann wollen wir mehr konsumieren, weil wir eben so viel gearbeitet haben. Das schadet dem Klima und bringt auch Menschen dazu, sich zu verausgaben. Ich bin überzeugt, dass die Umwelt retten auch damit zu tun hat, Menschen zu helfen, mental gesünder zu sein. Wir brauchen Konstanz, Langsamkeit, Langeweile ohne konstante Information, einfach eine langsamere Art zu leben.
Ich nahm einmal einen Zug nach Lappland weit in den Norden von Finnland, eine fast zwölfstündige Reise. Das war die unglaublichste Reiseerfahrung. Du steigst in den Zug in deiner Heimatstadt, du siehst sie langsam verschwinden, siehst, wie die Umgebung sich Schritt für Schritt verändert. Du schläfst in deinem Bett in deinem kleinen Kabäuschen ein, aber auch im Schlaf hörst du die Geräusche des Zugs und du fühlst die Bewegung. Und dann wachst du auf und du bist an einem anderen Ort. Es schneit, überall ist Wald. Das ist einfach magisch.
Wir alle brauchen etwas, das uns beruhigt. Ich liebes es, mich um meine Zimmerpflanzen zu kümmern. Du kannst sie nicht beschleunigen, sie sind einfach da, tun einfach ihr Ding. Du tränkst sie, nichts anderes. Alles, was sie brauchen sind die grundlegenden Lebensprinzipien, Licht, Wasser, Nährstoffe. Menschen sind gleich. Wenn es um Klimaschutz geht, sprechen die Leute oft davon, etwas zu verlieren. Wir sollten darüber sprechen, was wir gewinnen können. Sich ausruhen kann etwas Revolutionäres sein.
Geschichte gesammelt als Teil des Pilotprojekts stories for future international.


