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Wir haben im vergangenen Jahr versuchsweise unsere eigenen Legehennen aufgezogen. Aus gut der Hälfte der rund 50 befruchteten Eier sind männliche Küken geschlüpft, die als Hühnerbrüder mit der ganzen Herde aufgewachsen sind. Mit vier Monaten haben wir sie zum Metzger gebracht. Die Nachfrage nach Bio-Güggeli, die ein schönes Leben auf der Weide in einer kleinen Herde hatten, war recht gross. Unser Anspruch bei der Vermarktung war ursprünglich, dass wir nicht nur Transparenz bezüglich der Haltung der Tiere schaffen, sondern auch beim Preis. Die Zusammenstellung der Vollkostenrechnung war jedoch ernüchternd: Futter, Arbeitszeit, Transport und Schlachtung ergaben einen Preis von rund 80 Franken für ein Güggeli – bei einem tief geschätzten Arbeitsaufwand von 15 Minuten pro Tag und einem Brutto-Stundenlohn von 35 Franken. Marktkonform wären rund 40 bis 50 Franken für ein Güggeli.

Eindrücklich, wie unmittelbar uns dabei klar wurde, dass das Verhältnis Arbeitsaufwand pro Tier ‹schuld› an diesem zu hohen Preis war. Wenn wir also marktkonform Güggeli ‹produzieren› wollten, müssten wir die Herdengrösse drastisch nach oben und den Stundenlohn nach unten ‹korrigieren›. Wir waren also sofort gefangen in der Logik der Kostenminimierung, Umsatzsteigerung, Skaleneffekte und Richtpreise auf dem Markt. Nährstoffkreisläufe, Tierwohl und Mensch-Tier-Beziehung finden in dieser Logik nicht auf natürliche Weise ihren Platz. Diese Aspekte lassen sich nicht auf einfachem Weg zu Geld machen, man müsste sie quasi ‹künstlich› mittels Labels oder Marketing und guten Geschichten in einen Geldwert setzen.

In einer wirklich nachhaltigen Landwirtschaft schliessen sich unserer Meinung nach aber die Produktion und die Pflege nicht aus, sondern bedingen sich gegenseitig. Die Güggeli-Episode ist für uns zu einem Symbol für eine sorgfältige, gegenwarts- und zukunftstaugliche Landwirtschaft geworden: Wir möchten es uns ermöglichen können, nur so viele Hühner zu halten, wie es das Nährstoffangebot auf dem Hof zulässt. So, dass wir die Hühner und Güggeli in kleinen, tiergerechten Herden halten und uns genügend Zeit für die Pflege der Tiere nehmen können.

Alleine können sich das die Produzentïnnen nicht leisten. Aber wenn viele diese Werte mittragen, wird es möglich: Gemeinsam können wir uns eine Landwirtschaft leisten, in der Tier- und Menschenwohl, bodenschonende Bewirtschaftung und Produktion gleichgestellt sind. Eine solidarische Landwirtschaft, wo sich Konsumentïnnen langfristig mit Produzentïnnen zusammenschliessen, Risiko, Kosten und manchmal auch die Arbeit teilen, sehen wir als möglichen Weg dazu.

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Die meisten Geschichten entwickeln sich in einem Gespräch und wir schreiben sie auf. Manche Geschichten werden uns zugeschickt, auf Einladung oder spontan. Bislang haben wir die Geschichten nicht systematisch gesucht – sie ergeben sich durch spontane Kontakte, Empfehlungen und Zufälle.

Die Geschichten widerspiegeln nicht immer unsere Meinung; und die Geschichtenerzählerïnnen sind wohl auch nicht immer einer Meinung.

Stories for future wurde von Moritz Jäger und Gabi Hildesheimer von Tsuku ins Leben gerufen. Die Stiftung Mercator Schweiz unterstützt das Projekt mit einem finanziellen Beitrag. Weitere Interessenbindungen bestehen nicht.

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